Historisches Mesnerhaus Neufahrn bei Freising

 

Das Mesnerhaus ist das einzige profane Gebäude im Ort Neufahrn, das unter Denkmalschutz steht. Es ist im Besitz der Gemeinde Neufahrn. Überlegungen im Rathaus, das Haus zu verkaufen, wurden nach der Gemeinderatswahl 2014 nach Protesten aus der Bürgerschaft nicht mehr angestellt. Stattdessen sprach sich der Gemeinderat für eine Sanierung aus. Bei einer bauhistorischen Untersuchung im Jahr 2013, veranlasst vom Bayer. Landesamt für Denkmalschutz, wurden der insgesamt gute bauliche Kern des Hauses und seine Sanierungswürdigkeit festgestellt. Fachleute bezeichnen das Mesnerhaus als ein hoch interessantes Objekt für die Geschichte Neufahrns.

 

Geschichte des Hauses

 

Zusammengestellt von Ernest Lang. Neben der Eigenrecherche beruhen die Ausführungen zur Geschichte des Hauses bis 1937 hauptsächlich auf den bauhistorischen Forschungen von Dipl.-Ing. Oliver Lindauer sowie aus einem Aufsatz von Josef Bogner in der heimatkundlichen Zeitschrift Amperland aus den 1980er Jahren

 

16. Jahrhundert oder früher: Erster Bau als Friedhofskapelle mit Gewölbekeller gegenüber der alten Dorfkirche. Die Kapelle ist 8,35 Meter lang und 8,05 Meter breit. Die Kapelle ist dem Heiligen Leonhard geweiht, dem Viehpatron. Die barocke Sitzfigur des Heiligen befindet sich seit der Säkularisation der Kapelle in der gegenüberstehenden Kirche. Neben der Heiligen Wilgefortis war auch der Heilige Leonhard im 17. und 18. Jahrhundert Ziel von Wallfahrten nach Neufahrn, wie erhaltene Votivtafeln bezeugen.

 

Um 1700: Erweiterung der Friedhofskapelle um 2,85 Meter nach Norden. Aufstockung des Gebäudes auf die derzeitige Höhe. Das heutige Eingangsportal entsteht.

 

Um 1800: Säkularisation der Kapelle und spätestens seit 1811 Nutzung als Schulhaus. Eine Zwischendecke wird eingezogen, im Erdgeschoss entsteht die Lehrerwohnung, im Obergeschoss der Schulsaal. Der Gewölbekeller wird z. T. zum Viehstall. Hier gehen die Kinder der ganzen Pfarrei Eching zur Schule (Eching, Neufahrn, Dietersheim, Mintraching, Achering, Pulling). Besitzer des Gebäudes ist der königlich-bayerische Local-Schulfond. Die Kinder werden vom Neufahrner Benefiziaten (= Priester) unterrichtet.

 

1829 erhalten nach dem Bericht des Hilfslehrers Josef Glas 159 Kinder hier Werktagsunterricht. Die Schulinspektion schlägt deswegen eine Teilung zur „Halbschule“ vor: Unterricht für die zweite und dritte Klasse von 8.00 Uhr bis 11 Uhr, für die erste Klasse von 12 Uhr bis 14 Uhr. Der Lehrer Glas übernimmt auch den Orgel- und Mesnerdienst, von daher kommt wohl neben der Bezeichnung „Schulhaus“ auch der Name des Hauses als „Mesnerhaus“.  Glas übt diesen Dienst bis 1840 aus, ab 1870 ist der Lehrer Weinzierl Mesner und Organist. Dieser Dienst ist Teil seines Einkommens.

 

1835: Einbau einer neuen Decke über dem Obergeschoss

 

1857: Verlängerung des Hauses um 3,20 Meter nach Süden. Neuer Zuschnitt der Lehrerwohnung. Neues Dach unter teilweiser Verwendung der ursprünglichen Dachsparren der Kapelle um 1695/96. Für den Umbau bringt der Local-Schulfond 1.565 fl (= Gulden) auf, die Schulgemeinde muss außer den Hand- und Spandiensten noch 965 fl beisteuern. Im Jahr 1862 werden nach dem Bericht des Lehrers Josef Glas im Schulhaus 136 Werktagsschüler unterrichtet.

 

1864: Anbau nach Süden (heutiges Saurer-Haus), um Platz für einen zusätzlichen Schulsaal und ein Zimmer für den Hilfslehrer zu erhalten. Die Lehrerstochter Maria Glas wird als Handarbeitslehrerin angestellt.

 

1865 kommt Franz Ecker für ein Jahr als Schulgehilfe nach Neufahrn, er erhält dafür ein Jahresgehalt von 80 fl. sowie freie Wohnung und Verpflegung im Schulhaus. Ihm folgt

 

1866 bis 1870 Anton Schnabel aus Moosburg als Schulpraktikant. Neben dem der Unterrichtstätigkeit ist er Mesner, Organist und Gemeindeschreiber.

 

1870 übernimmt der Lehrer Georg Weinzierl aus Liebenstadt im Bezirk Neumarkt /Oberpfalz den Schul-, Mesner- und Organistendienst. Er erhält dafür 434 Gulden und 28 Kreuzer pro Jahr. Am 27. August 1870 bittet der Lehrer Weinzierl in einem Brief an Bezirksamt Freising um Unterstützung bei der Beschaffung besserer und ausreichender Lehrmittel. Er wünscht sich Lese- und Rechenbücher, Schiefertafeln, Wandtafeln und Landkarten. Gleichzeitig beschwert er sich über die Gleichgültigkeit der Eltern gegenüber dem Schulbesuch: Mehr als die Hälfte der 180 Schulkinder hätte im Juni und im Juli die Schule versäumt. Nur mit größtem Widerwillen würden selbst begüterte Eltern ihren Kindern Lesebücher oder Schreibtafeln kaufen…

 

1873 übernimmt der Lehrer Johann Fuchs den Schul- und Kirchendienst in Neufahrn. Er wird in den folgenden Jahren von jährlich wechselnden Hilfslehrern unterstützt, seine Ehefrau Therese übernimmt es, die Mädchen in Handarbeit zu unterrichten. Das Grab des Ehepaares Fuchs befindet sich rechts neben dem Eingang zur Wilgefortis-Kirche.

 

1883 kommt Max Anderl als Lehrer nach Neufahrn. Er bleibt hier bis hier zu seinem Tod am 3. Juli 1919 als Hauptlehrer, Organist und Gemeindeschreiber. Er wird Ehrenbürger der Gemeinde Neufahrn. Sein Grab befindet sich ebenfalls rechts neben dem Eingang zur Kirche.

 

1900: Die politische Gemeinde Neufahrn übernimmt vom Local-Schulfond das Haus

 

1908 ziehen der Lehrer Max Anderl und der Hilfslehrer in das neue Schulhaus gegenüber der Kirche um. Das neue Haus hat zwei große Schulsäle und zwei Lehrerwohnungen (heute Jugendzentrum)

 

1910: Johann Heckelsmüller kauft das Mesnerhaus für 10.000 Mark. Das Gebäude wird innen zu Wohnzwecken umgebaut., Heckelsmüller betreibt hier auch bis er als Soldat einrücken muss, auch eine Molkerei.

 

1919 kaufen Johann Zercher und seine Frau Helene das Mesnerhaus zu je gleichen Anteilen für 18.000 Mark.

 

Am 14. November 1925 geht das Haus an die Bayerische Siedlungs- und Landesbank München für 112.00 Mark, am gleichen Tag kauft es die Gemeinde Neufahrn für 470.000 Mark! Das Haus wird geteilt, der südliche Teil (heute Saurer) wird verkauft.

 

1925 richtet im Mesnerhaus der erste Arzt in Neufahrn, Dr. Benno Schmidtbauer, seine Arztpraxis ein.

 

1937 verkauft die Gemeinde das Mesnerhaus an die Katholische Kirchenstiftung Neufahrn für 5.500 Mark. Die Gemeinde zahlt damit ihre Schulden beim Katholischen Begräbnisverein München ab. Die politische Gemeinde hatte 1932 nach dem Bau des neuen Pfarrhofs am heutigen Pfarrweg von der Kirchenstiftung das damalige alte Benefiziatenhaus an der Ecke Dietersheimer Straße / Grünecker Straße (heute ehemaliges Feuerwehrhaus) erworben, um dort eine Gemeindekanzlei einzurichten. Sie hatte deswegen den Kredit aufgenommen.

 

Nach dem Besitzerwechsel von der Gemeinde zur Kirchenstiftung bleibt das Mesnerhaus als Wohnhaus erhalten. Der Bewohner Rösler beobachtet am 28.April 1945 vom Dach aus den Vormarsch der amerikanischen Truppen von Eching nach Neufahrn und gibt den versteckt wartenden Männern das Signal, vom Kirchturm die weiße Fahne für die Übergabe des Ortes zu hießen. Nach dem Krieg dient das Haus auch als Wohnraum für Flüchtlinge.

 

In den 1950er Jahren wird das Obergeschoss des Mesnerhauses wieder zum Schulsaal umfunktioniert. Bis zum Bau der Grundschule am Fürholzer Weg 1961 wird das Mesnerhaus als Schulraum für die 3. und 4. Klassen genutzt. Danach bezieht die Fahrschule Warth den Raum als Unterrichtsraum. Im Erdgeschoss wohnt der Mesner Ignatz Schnürer.

 

Um 1960 decken Kirchenpfleger Otto Steinberger und Kirchenverwaltungsmitglied Johann Schwab das Dach neu ein.

 

Um 1965 überlässt Pfarrer Götzberger den südlichen Teil des Kellers im Mesnerhaus der Familie Saurer, die hier eine Kellerbar, den Saurer-Keller, einrichtet. Beim Aushub finden sich viele Knochen, die wohl aus aufgelösten Gräbern des nahen Friedhofs stammten. Der Keller diente offenbar zweitweise als Beinhaus.

 

1967 verkauft Pfarrer Götzberger als Vorstand der Katholischen Kirchenstiftung Neufahrn das Mesnerhaus an die Katholische Pfarrpfründestiftung, dessen Vorsitzender er ebenfalls ist. Hier wurde also das Geld von der rechten in die linke Tasche geschaufelt. Den Erlös des Deals verwendete der Pfarrer um die Renovierung der alten Kirche zu beginnen.

 

In den 1970er Jahren stellt Pfarrer Wögerbauer dem Türkischen Arbeiterverein das Haus als Gebetsraum und für Aufenthaltsräume zur Verfügung.

 

1991: Außenrenovierung des Hauses in Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalpflege in Eigenleistung durch Mitglieder der Katholischen Kirchenverwaltung. Um 1993 eigenmächtiger Einbau einer Lüftungsanlage und Rigipsverkleidung des großen Saals durch den Türkischen Arbeiterverein.

 

1998: Erneuter Besitzerwechsel. Die politische Gemeinde übernimmt als Eigentümer das Mesnerhaus und bezahlt als Gegenleistung die Pflasterung des Kirchenvorplatzes von Sankt Franziskus im Zug der Marktplatzgestaltung.

 

2010: Kündigung des Mietvertrags mit dem Türkischen Arbeiterverein durch die politische Gemeinde.

 

2011: Auf Anraten von Bürgermeister Schneider empfiehlt eine Mehrheit des Gemeinderats einen Verkauf des Mesnerhauses, weil eine Sanierung zu teuer käme. In der Folge kommt es zu Protesten aus der Bürgerschaft.

 

2012 gründen mehr als 70 Bürger, unter ihnen auch Gemeinderäte, den „Heimat- und Geschichtsver­ein Neufahrn e.V.“, der für einen Verbleib des Hauses in öffentlicher Trägerschaft plädiert. Die Bauingenieure Fridolin Lang, Helmut Stegschuster und Ludwig Grundner, Gründungsmitglieder des Heimat- und Geschichtsvereins, besichtigen das Mesnerhaus und stellen übereinstimmend die gute Bausubstanz des Hauses fest. Auf Anraten der Denkmalschutzbehörde lässt die Gemeinde eine bauhistorische Untersuchung des Mesnerhauses durch Dipl.-Ing. Oliver Lindauer durchführen.

 

Lindauer kommt im Februar 2013 zu dem Ergebnis, dass das Gebäude sanierungswert ist. Die gleiche Einschätzung haben unabhängig voneinander der Geschäftsführer des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege und Mitglied des Landesdenkmalrats, Martin Wölzmüller, und der oberbayerische Bezirksheimatpfleger Dr. Norbert Göttler. Beide hatten auf Einladung des Heimat- und Geschichtsvereins das Haus besichtigt. Dr. Göttler stellt zudem einen Zuschuss des Bezirks in Höhe von maximal 50.000 € in Aussicht.

 

2014: Bei einer öffentlichen Informationsveranstaltung des Heimat- und Geschichtsvereins Neufahrn e.V. im Februar 2014 zur Kommunalwahl sprechen sich alle Bürgermeisterkandidaten für eine Sanierung des Hauses und einen Verbleib im Besitz der Gemeinde aus.

 

September 2014: Die Gemeinde und der Heimat- und Geschichtsverein stellen beim „Tag des offenen Denkmals“ das Mesnerhaus als Sanierungsobjekt zahlreichen Besuchern vor.

 

2015 erteilt der Gemeinderat dem Freisinger Architekturbüro Fiedler den Auftrag, einen Plan zur Nutzung und Sanierung des Hauses zu erarbeiten. Fiedler erhält den Auftrag, weil er als kompetent für denkmalgeschützte Gebäude gilt. Freilich beginnen nicht sofort die notwendigen Abstimmungsgespräche mit dem Landesamt für Denkmalpflege. Fiedler geht dennoch davon aus, dass 2015/16 die notwendigen Planungsarbeiten erledigt sind, die Genehmigung kommt und 2017 die bauliche Sanierung durchgeführt werden kann.

 

29. September 2015 Brand des Mesnerhauses. Der historische Dachstuhl wird völlig zerstört, durch das Löschwasser entsteht in den alten Mauern erheblicher Wasserschaden. Die Brandursache bleibt ungeklärt. Im Vorfeld waren Überlegungen angestellt worden, im leerstehenden Mesnerhaus vorübergehend Flüchtlinge unterzubringen. Um weiteren Witterungsschaden zu verhindern, wird in den nächsten Monaten das Haus eingerüstet und mit großen Planen geschützt. Die Planen verhüllen das Haus bis zum Herbst 2017, erst dann beginnen die Arbeiten an einem neuen Dach. Inzwischen breitet sich der durch das Löschwasser verursachte Schimmel im Haus weiter aus.

 

2016 signalisiert der Freistaat Bayern, dass eine Bezuschussung der Sanierung des historischen Mesnerhauses aus Mitteln der Städtebauförderung etwa in Höhe der Hälfte der Gesamtkosten möglich ist. Voraussetzung ist, dass das Haus nicht für eine gemeindliche Pflichtaufgabe genutzt wird. Mit der Vertreterin des Landesamts für Denkmalschutz beginnen Gespräche zur Renovierung des Gebäudes, die sich quälend lange hinziehen.

 

Am 27.3.2017 beschließt der Gemeinderat ein Nutzungskonzept für das zu sanierende Mesnerhaus: Im Erdgeschoss sollen Räumlichkeiten für die Heimatkunde entstehen, der Saal im Obergeschoss soll mit Bewirtungsmöglichkeit für eine multifunktionale Nutzung durch die Vereine für Veranstaltungen, Vorträge, Ausstellungen oder Workshops vorgehalten werden. Die ursprünglich seitens der Gemeinde angestrebte Nutzung für das Gemeindearchiv kann nicht im Nutzungskonzept aufscheinen, weil die Archivarbeit eine Pflichtaufgabe der Gemeinde ist und deswegen nicht zuschussfähig im Sinn des Städtebaufördergesetzes. Deswegen wird die Formulierung „Nutzung für Heimatpflege“ gewählt, mit der das inzwischen aus dem Rathaus in den Bauhof ausgelagerte Archiv des verstorbenen Gemeindeheimatpflegers Josef Ritter gemeint ist. Auf dieser Gemeinderatsitzung kündigt der Architekt Fiedler als „vorsichtige Schätzung“ einen Baubeginn für 2017 an, er geht von Gesamtkosten von etwa einer Million Euro aus und rechnet mit einer Fertigstellung des Hauses im April/Mai 2018.

 

Auf Bitte der Gemeinde stellt der Heimat- und Geschichtsverein in einem Schreiben am 26. April 2017 die Vorteile einer Nutzung für heimatkundliche Belange dar.

 

18.5.2018: Nach der Fertigstellung des neuen Daches werden die Planen vom Mesnerhaus entfernt.

 

April 2019: Nach vielen Gesprächen, Ortsterminen und gutachterlichen Untersuchungen kommt die Baugenehmigung für die Renovierung des Mesnerhauses mit einem Außenaufzug auf der Ostseite durch das Landesamt für Denkmalpflege und das Landratsamt.

 

Juni 2019: Der Heimat- und Geschichtsverein stellt Kontakt her zwischen der Gemeinde und dem Bezirkstagspräsidenten von Oberbayern wegen einer möglichen Bezuschussung der Renovierungsarbeiten.

 

Oktober 2019 Architekt Fiedler gibt wegen Personalmangels den Auftrag zur Sanierung des Mesnerhauses an die Gemeinde zurück. Ein halbes Jahr nach der Baugenehmigung ist immer noch nichts passiert, es ist keine Ausschreibung von Bauarbeiten erfolgt.

 

Januar 2020: Der Gemeinderat erteilt dem Architekturbüro Peschmannn in München den Auftrag zur weiteren Sanierung des Mesnerhauses. Bauamtsleiter Schöfer beklagt bei der Sitzung, dass es schwierig gewesen sei, angesichts voller Auftragsbücher in der Baubranche einen qualifizierten Architekten zu finden.

 

März 2020: Angesichts der Corona-Pandemie und deren noch nicht absehbaren Folgen für die Steuereinnahmen verhängt der Bürgermeister eine vorläufige Haushaltssperre, unter die auch die Baumaßnahmen für das Mesnerhaus fallen.

 

Oktober 2020 Beginn der substanzerhaltenden Baumaßnahmen (u.a. Schimmelbeseitigung) am Mesnerhaus.

 

November 2020: Der Gemeinderat beschließt mehrheitlich die Ausschreibungen für das Mesnerhaus bis zu den Haushaltsberatungen im Februar 2020 zurück zu stellen.

 

Neufahrn, im Januar 2021

für den Heimat- und Geschichtsverein Neufahrn e.V.

gez. Ernest Lang

 

Vorsitzender